S.Hartmann
sieht wegen den zahlreichen Unfällen im Toggenburg Handlungsbedarf.
Ihr Lebensweg führte vom beschaulichen Bütschwil hinauf zur Bruder-Klaus-Kapelle auf der Schwägalp. Alois und Frida Krapf nehmen den Weg mindestens dreimal pro Woche gerne unter die Räder. Nach 50 Jahren im Bäckergeschäft amten sie seit 2010 als Mesmer auf 1350 Metern über Meer.
Bütschwil/Schwägalp Gemütlich sitzen Alois und Frida Krapf in ihrer holzgetäfelten Stube und blättern in einem Fotoalbum. Fast 15 Jahre sind vergangen, seit sie die bekannte Bäckerei, im Eichelstock 2, in Bütschwil schlossen. «Da, wo wir jetzt sitzen war einst die Backstube», sagt Alois Krapf und zeigt wo damals der holzbefeuerte Sandsteinofen, die Knetmaschine, der Arbeitstisch und eine Auswallmaschine ihren Platz einnahmen. «Es war der einzige beheizte Raum in unserem Elternhaus», sagt Krapf der mit vier Geschwistern dort aufgewachsen ist. Zu seinen Bubenzeiten hätten noch 40 Leute in diesem Quartier gelebt. Heute seien es noch etwa zehn Personen und man hört nachts eine Maus über den Platz huschen, so Krapf.
Als Alois, der im Toggenburg meist Wisi genannt wird, zwei Jahre alt war, übernahm sein Vater die Bäckerei von der Familie Ammann. Schon früh mussten er und seine Geschwister mithelfen. Als Alois das letzte Schuljahr besuchte, wurde sein Vater krank. Er erlitt mit 48 Jahren einen Herzinfarkt. «Niemand wusste wie man ihm helfen kann. Er brauchte einfach Ruhe», erzählt Wisis Frau Frida Krapf. Für den jungen Alois hiess das täglich von 4.30 bis 7.30 Uhr in der Bäckerei arbeiten und dann zur Schule zu gehen. Als man ihm sagte, er solle doch auch das Bäckerhandwerk erlernen, war er nur mässig begeistert. Dennoch absolvierte er bei der Familie Truniger in Bazenheid die Bäckerlehre. «Mit meinem Dreigang-Velo bin ich täglich nach Bazenheid und wieder zurück geradelt», erzählt der 78-Jährige, blättert im Fotoalbum weiter und zeigt auf ein Foto der einstigen Bäckerei. Nach der Lehre arbeitete er zu Hause, denn sein Vater konnte kaum noch etwas machen. «Zum Glück kam noch die Rekrutenschule in Thun dazwischen. So kam ich mal weg», sagt Krapf und lacht.
Zurück im elterlichen Betrieb wurde bald klar, dass Alois Krapf den Betrieb übernehmen wird. Aber er machte bei seinem Vater grundlegende betriebliche Veränderungen geltend. «Mein Traum war damals schon die Scheune abzureissen. So kam es, dass 1969 die gesamte Liegenschaft um- und neugebaut wurde. Dabei entstand unter anderem beheizbarer Wohnraum», erzählt der Bäckermeister. Dass er auch dem Architekten nicht gehorcht hatte, erwies sich als Glücksfall. Alois Krapf bestand darauf, dass die Fensterfront zur Strasse gemacht wurde. «So habe ich nämlich meine zukünftige Frau Frida am Laden vorbeigehen sehen und kennengelernt. Sie war Lehrerin für die Abschlussklasse und wir heirateten 1973. Ein Jahr später übernahm ich die Bäckerei», freut sich Krapf. Seine Ehefrau zeigt auf Fotos wie das neue Geschäft damals ausgesehen hatte und sagt: «Für meinen Mann kam die Freude an der Bäckerei erst so richtig, als er sein eigener Herr und Meister war.»
Während 37 Jahren betrieben Alois und Frida Krapf erfolgreich die Bäckerei im Eichelstock 2. Früher gab es zahlreiche Bäckereien im Dorf. «Als mein Vater angefangen hatte, gab es in Bütschwil noch zwölf Bäckereien für 2500 Einwohner. Mit Ausnahme von Lütisburg hatten alle umliegenden Gemeinden mehrere Bäckereien. Die Krapfs überzeugten ihre Kundinnen und Kunden stets mit konstanter Qualität. Sie investierten regelmässig in den Betrieb und bildeten 35 Lehrlinge aus, von denen keiner unter der Note 5 abschloss. Zu Krapfs Spezialitäten zählten die Zimtfladen. «Das Rezept dafür ist in meinem Besitz und so soll es auch bleiben», sagt Alois Krapf, der das süsse Zimtgebäck ebenfalls nach Vaters Angaben herstellte. Heute ist nicht mehr viel von der ehemaligen Bäckerei Krapf zu sehen. Sie schloss vor 14 Jahren. Einzig der Original Schriftzug an der Garage sowie zwei kleinere Backöfen, die den Grossen ersetzten, erinnern an die goldenen Bäckerjahre im Bütschwiler Eichelstock.
Zur Familie Krapf gehören drei erwachsene Kinder. Keines wollte in das Bäckereigeschäft einsteigen. Alois Krapf nahm sich vor, den Beruf , den er immer noch liebt, während 50 Jahren auszuführen und hat Wort gehalten. Im Juli 2010 ging offiziell der letzte Zimtfladen über die Ladentheke. Das Ehepaar überlegte schon vorher, was danach kommt. Dass sie heute Mesmer in der Bruder-Klaus-Kapelle sind, ist einem Glücksfall geschuldet.
«Es war an einem Sonntag 2009. Wir waren auf dem Säntis und wollten abends in die Kirche. Als wir den Pfarrer bei der Schwägalpkapelle zufälligerweise trafen, beschlossen wir dort den Gottesdienst zu besuchen», erzählt Frida Krapf. Dabei entdeckten sie am Anschlagbrett eine Anzeige wonach ein Mesmerpaar gesucht werde. Da auch der Vereins- und der Stiftungsratspräsident der Kapelle anwesend waren, kam man ins Gespräch. «Ich war acht Jahre Aushilfsmesmer in Bütschwil. Auf der Fahrt nach Hause beschlossen wir das Amt zu übernehmen und haben es bis heute nicht bereut», sagt Alois Krapf. Es sei spannender als eine Pfarrei. Die gesamte Organisation laufe über sie und es laufe immer etwas, erklärt seine Frau. Während sie sich der Schreibarbeit annimmt, sorgt er dafür dass die Kapelle in Schuss bleibt. Die beiden haben schon einiges erlebt in den vergangenen 14 Jahren und sie sind spontan. Kürzlich wollte ein Paar auf dem Säntis heiraten. Aufgrund schlechter Wetterverhältnisse ging das aber auf dem Gipfel nicht. So wurde die Trauung kurzerhand in die Bruder-Klaus-Kapelle verlegt. Frida Krapf erinnert sich auch an ein Berliner Paar, das an einem Montag heiratete. «An jenem Vormittag kam der Pfarrer mit seiner Frau und dann traf das Brautpaar ein. Da wir mit weiteren Gästen rechneten, liessen wir die Hintertüre offen. Es kam aber niemand mehr. Doch plötzlich machte es laut «Muuh» in der Kapelle und eine Kuh stand einfach da. Alois hat sie dann wieder hinausgeführt.» Alois und Frida Krapf haben ihre Bestimmung auf der Schwägalp gefunden und führen ihr Amt mit Herzblut, Liebe und Gottes Segen bis heute gerne aus.
Von Andreas Lehmann
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