Ralph Rütsche
freut sich über das besondere Label für den "Solino Plus" Bau.
Vor 30 Jahren wurde Eschenbach zum Mittelpunkt der internationalen Radsportwelt: Am 28. und 29. Januar 1995 richtete der Veloclub Eschenbach ein Ereignis aus, das bis heute unvergessen bleibt: die Radquer-Weltmeisterschaft. Trotz widriger Wetterverhältnisse pilgerten rund 27'000 Zuschauer an jenem Wochenende nach Eschenbach.
Eschenbach Die Wurzeln des Velo-clubs reichen bis ins Jahr 1899 zurück. Bereits damals war der Verein tief im lokalen Sportgeschehen verankert. Unter der Leitung von Sepp Güntensperger und Beda Wildhaber entwickelte sich der Verein in den 1990er-Jahren zu einem erfahrenen Veranstalter von Radquerrennen. Die Bewerbung für die Radquer-Weltmeisterschaft 1995 war ein ambitioniertes Vorhaben – aber auch ein mutiger Schritt, den sich ein kleiner Verein nur durch unermüdlichen Einsatz und ein starkes Netzwerk zutrauen konnte. Dank der Unterstützung des damaligen Gemeindepräsidenten Alois Bühler gelang es dem OK, zahlreiche bürokratische Hürden zu überwinden. Doch nicht nur organisatorische Herausforderungen galt es zu meistern, sondern auch die Tücken der Natur stellten das Team vor fast unlösbare Aufgaben.
Zur Organisation der 'WM95' gründete man den Verein Radquer WM 1995, der zu gleichen Teilen aus dem VMC Alpina Eschenbach und der Stiftung Schweizer Sporthilfe bestand. Als Direktor der WM fungierte Edwin Rudolf, welcher mit seiner Erfahrung im Verband und seiner Affinität zum Marketing die Grundsteine legte. Zum engeren OK zählten vom Veloclub Eschenbach Beda Wildhaber und Josef Güntensperger, sie waren die Drahtzieher, welche zusammen mit ihren OK-Kollegen Kurt Baumer (Streckenchef), Bruno Wildhaber (Festwirtschaft), Josef Köpfli (Unterhaltung), Theres Wildhaber (Quartier), Walter Oberholzer (Lokalsponsoring), Beat Gügler (Lokalpresse) Walter Brändli (Pressezenter), Toni Brändli (Rennorganisation), Heiri Disch (Tageskasse) und Martin Hofstetter (Personal) die Zügel in der Hand hielten.
Die Wetterkapriolen, die das OK zu bewältigen hatte, sind bis heute in Erinnerung. Der Januar 1995 war eisig kalt, was den Aufbau der Infrastruktur erschwerte. Doch kurz vor dem Event setzte plötzlich Tauwetter ein, das die Situation dramatisch verschlimmerte. Am Donnerstagabend, nur zwei Tage vor den ersten Rennen, zog ein schwerer Sturm mit Graupelschauer über Eschenbach hinweg. Während die Zuschauer das «Blaumeisenkonzert» feierten, stürzte ein Teil des Bodens vor der Bühne aufgrund des tauenden Untergrunds ein. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt. Doch der Schock sass tief. Der Buffettrakt wurde überflutet, der Zielbogen vom Sturm teilweise umgerissen, und auch die geplante Sprungschanze, die für eine Showeinlage am Samstag dienen sollte, wurde zerstört. Dennoch liess sich das Organisationsteam nicht entmutigen. Mit vereinten Kräften von Helfern aus Eschenbach und umliegenden Gemeinden wurden die Schäden in kürzester Zeit behoben. Selbst die geplante Europameisterschaft der Espoirs am Samstag konnte wie vorgesehen stattfinden – ein Kraftakt, der ohne den unermüdlichen Einsatz aller Beteiligten nicht möglich gewesen wäre.
Die Strecke der Radquer-WM 1995 bot den Zuschauern einige spektakuläre Besonderheiten. Ein Highlight war sicherlich die Passage, die direkt durch das Festzelt führte. Von dort aus konnten die Zuschauer die Athleten hautnah erleben. Die Strecke selbst war anspruchsvoll, geprägt von rutschigen Abfahrten, schlammigen Passagen und einem steilen Hang, an dem eigens eine Tribüne aus Holzbrettern und Holzspänen errichtet wurde, um den Fans eine optimale Sicht und vor allem Trittsicherheit zu bieten.
Bis zuletzt stand der Renntag am Sonntag auf der Kippe. Die Wetterprognosen waren derart schlecht, dass das OK am Samstagabend ernsthaft über eine Absage nachdachte. Der Regen und das Tauwetter hatten die Strecke in einen Schlammparcours verwandelt. Doch man entschied sich, das Risiko einzugehen – eine Entscheidung, die sich als goldrichtig erwies. Da zeitgleich die Ski-WM in Sierra Nevada aufgrund des schlechten Wetters abgesagt wurde, richteten sich alle Augen auf Eschenbach. Die Radquer-WM wurde live im Schweizer Fernsehen, auf Eurosport und auf zwölf weiteren Stationen übertragen. Das Schweizer Fernsehen registrierte am Sonntag, 29. Januar 1995 bei der Liveübertragung der Open-WM mit 508'000 Zuschauern einen neuen Rekord für Rad-Liveübertragungen. Besucher und Medienvertreter aus dem In- und Ausland waren Zeuge einer tadellosen Organisation, welche mit originellen Ideen und seriöser Arbeit dem Motto «100 Prozent quer – anders als alle andern» nachlebte.
Das Hauptrennen am Sonntag sollte für die Schweizer Fans ein unvergesslicher Moment werden. Dieter Runkel, ein damals 28-jähriger Athlet, lieferte einen beeindruckenden Sololauf und sicherte sich mit einem Vorsprung von 37 Sekunden den Weltmeistertitel. Es war ein historischer Triumph, denn bis heute ist Runkel der letzte Schweizer, der diesen Titel gewinnen konnte. Neben ihm komplettierten Richard Groenendaal aus den Niederlanden auf Platz zwei und der Schweizer Beat Wabel mit Bronze das Podium.
Der Sonntag brachte nicht nur sportliche Höhepunkte, sondern auch eine rekordverdächtige Leistung in der Festwirtschaft. Trotz des widrigen Wetters war die Bar durchgehend von Donnerstag bis Sonntag geöffnet. Insgesamt wurden an diesem Wochenende rund 1000 Harassen Bier konsumiert. Als sich am Sonntag abzeichnete, dass ein Schweizer Weltmeistertitel möglich war, liess das OK-Team die letzten zwei Paletten Bier nachliefern. Kein Tropfen blieb übrig. Die Stimmung im Festzelt war euphorisch, als Dieter Runkel die Ziellinie überquerte und sich zum Weltmeister krönte.
Drei Jahrzehnte sind vergangen und doch fühlt es sich an, als würde der Geist dieser unvergesslichen Tage noch heute durch den VC Eschenbach wehen. Die Radquer-WM 1995 war weit mehr als ein sportliches Ereignis. Es war ein Fest des Zusammenhalts, ein Triumph der Leidenschaft und ein Beweis dafür, was möglich ist, wenn Menschen für eine gemeinsame Vision brennen. Karin Kessler
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